Mehr Demokratie wagen!

Die Antworten von SPD, CDU, FDP in der Zeitung DER BERGSTRÄSSER

  • Kein demokratischer Meinungsbildungsprozess bei SPD, CDU, FDP
  • Keine Debatte mit der Bürgerschaft über das richtige Konzept für die Ortsmitte
  • Vorsicht bei der kompletten Delegierung von Demokratie an Gemeindeorgane
  • Donald Trump und Boris Johnson in Bickenbach? Von Falschmeldungen (Fake News) und Verschleierungen

 

„Mehr Demokratie wagen“. Der Satz ist von Willy Brandt (SPD) und schon über 40 Jahre alt. Er ist Teil der Identität unseres Landes und unseres Gemeinwesens geworden. In Bickenbach scheinen die Uhren anders zu gehen. Schon in einer Ausschusssitzung zur Ortsmitte vor gut 1,5 Jahren waren wir verblüfft, dass ein SPD-Mann dafür sorgte, dass ein Plakat der „Bürgerinitiative Ortsmitte Bickenbach“, auf dem „Mehr Demokratie wagen“ stand, entfernt werden musste.

Heute wissen wir, wie in Bickenbach Politik gemacht wird. Es sind nicht Wenige, die gegen die geplante Bebauung der Ortsmitte sind! Es sind Wenige in SPD, CDU und FDP, die bestimmen und die Geschicke der Gemeinde lenken.  Nach dem Urteil zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans zur Ortsmitte wurde ganz schnell und ohne jede öffentliche Debatte eine Weiterverfolgung des Baukonzeptes für die Ortsmitte von SPD, CDU und FDP beschlossen. Wir sind sicher, dass es innerhalb dieser Parteien keinen ausführlichen Meinungsbildungsprozess gab. Machen wir uns klar, dass vielleicht 10-12 Personen bestimmen, was in Bickenbach geschieht.

Im „DER BERGSTRÄSSER“ vom 24.7.2019 spricht die SPD von einer wachsenden Zustimmung der Bevölkerung, dass es los geht und versucht den Eindruck zu erwecken, dass viele für das Baukonzept des Investors sind. Ein Beweis dafür fehlt. Wenn so viele für das Baukonzept sind, dürfte es doch der SPD keine Sorge bereiten, eine öffentliche Debatte über das geplante Konzept zur Ortsmitte zu führen. Doch die SPD mit ihrem Bürgermeister scheut eine Debatte. Partizipation der Bevölkerung als zivilisatorische Leistung und Teil eines guten Gemeinwesens ist in Bickenbach noch nicht angekommen.

SPD, CDU und FDP glauben bei dem Bauvorhaben des Investors an ein funktionierendes Einzelhandelskonzept, Wohnraum zum Abbau der Wohnungsnot, bezahlbare Mieten für die Wohnungen, eine private Tiefgarage, die von allen genutzt werden darf. Sie glauben, dass eine Begrünung auf einer Tiefgaragendecke etwas für das innerörtliche Klima bewirkt. Sie halten 55 Wohneinheiten auf 6.000 m² für sinnvoll, obwohl die Anzahl  und Dichte um einiges höher ist, als in neu geschaffenen städtischen Quartieren. Sie erwarten, dass keine unwirtliche, lärmumtoste und gefährliche Straßenschlucht in der Darmstädter Straße entsteht.

Da wird von der CDU von attraktivem Einzelhandel gesprochen, um die Bürgerschaft von dem Bauvorhaben zu überzeugen. Der Bürgermeister will sich sogar für einen Metzger einsetzen. Wie weltabgewandt muss man sein, um nicht zu verstehen, welcher Wandel aktuell im Einzelhandel im Gang ist. Ein Metzger wird nicht kommen, auch kein Nahversorger. Was bleibt dann? Wie stets bei diesem Bauvorhaben, keine kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept oder ein Nachweisverlangen an den Investor.

Das gleiche bei den Wohnungen. Wohnraumbedarf soll gedeckt werden. Keine Auskunft von der SPD, für wen sie meint den Bedarf decken zu können. Mietpreis- und Kaufpreisansätze wären interessante Aspekte. Damit ließe sich abschätzen für welche Klientel gebaut werden soll. Dieser Frage weicht die SPD aus oder unterlässt es absichtlich, diese soziale Fragestellung aufzurufen. Denn es würde sich dann offenbaren, dass die Wohnungen nicht für den Kreis von Leuten und Familien gebaut werden, die unter der Wohnungsnot stark leiden.

Die SPD hat im Landtagswahlkampf für bezahlbaren Wohnraum geworben und erklärt nun, dass durch das Konzept Wohnraum geschaffen werde. Wir können nicht erkennen, wo die Forderung der SPD in der Ortsmitte Wirklichkeit werden könnte.

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Wir sind gespannt, wie die SPD in Bickenbach das Versprechen aus dem Landtagswahlkampf 2018 einlöst!

 

Nichts zu der ökologischen Qualität des Bauvorhabens und zu den Auswirkungen auf das Kleinklima und die Luftqualität. Nichts dazu, was passieren wird bei Unwettern, da das Wasser aufgrund der kompletten Unterbauung nicht auf dem Grundstück versickern kann.

Bei dem verlorenen Prozess lehnen SPD, CDU und FDP die Verantwortung ab, sie halten sich jedoch andererseits für ausreichend kompetent, das Baukonzept des Investors beurteilen zu können. Die Gemeinde hat es versäumt, eine eigene Vorstellung zur Ortsmitte zu entwickeln oder sich zumindest fachkompetent beraten zu lassen.

Eine attraktive lebenswerte Ortsmitte ist mit dem geplanten Baukonzept nicht zu verwirklichen.

Die Mitglieder der Parteien im Gemeindevorstand und in der Gemeindevertretung müssen sich darüber im Klaren sein, dass das einer Kommune gesetzlich eingeräumte Recht der Planungshoheit ein sehr hohes Maß an Verantwortung für jedes Mitglied erzeugt. In jedem Fall kann sich kein Gemeindevertreter später darauf berufen, nichts gewusst zu haben und sich auf Andere verlassen zu haben.  Wem sie Folge leisten, sollten sich die gewählten Mitglieder der Gemeindegremien sehr bewusst sein.

Bis heute gibt es keine Zielvorstellung für eine Ortsmitte, die von fachlicher Seite für die Gemeinde erarbeitet, nach breiter Beratung als Leitgedanke verabschiedet wurde und als Bewertungsmaßstab für ein Bebauungskonzept dienen können. Die Gemeinde hat die Umweltauswirkungen des Bauvorhabens nie prüfen lassen. Sie hat von dem Investor nicht einmal ein Baumodell abverlangt, um sehen und beurteilen zu können, wie die Bebauung tatsächlich werden soll und sich einfügt. Bei jedem selbst noch so kleinen Architekturwettbewerb, z.B. für einen Kindergarten, ein Feuerwehrgerätehaus oder eine Schulturnhalle, muss jeder der teilnehmenden Architekten ein Modell liefern, zumeist kostenfrei. Nicht so bei dem so gepriesenen finanzstarken Investor. Reichlich naiv oder es wurde absichtlich nicht verlangt.

Wenn man sich die Aussagen von SPD, CDU, FDP und dem Bürgermeister zur geplanten Ortsmitte ansieht, zuletzt im „DER BERGSTRÄSSER“, fühlt man sich auch unwillkürlich an solch Protagonisten wie Donald Trump oder Boris Johnson erinnert.

Da wird einfach von einer wachsenden Mehrheit für die geplante Ortsmitte gesprochen. Das wird einfach so behauptet. Ganz im Gegenteil häufen sich die Anzeichen, dass ein Großteil der Bürgerschaft die geplante Bebauung ablehnt. Der Wunsch der gesamten Bürgerschaft, dass die Ortsmitte entwickelt werden soll, wird als Zustimmung zum konkreten Vorhaben uminterpretiert.

Da wird behauptet, dass das Verfahren zum Bebauungsplan vorbildlich von der Gemeinde durchgeführt wurde. Nichts, aber auch gar nichts an substanziellen Änderungsvorschlägen von Einwänden gegen den B-Plan-Entwurf wurden von der Gemeinde übernommen. Die Bürgerversammlungen waren eine Farce. Es war keine ergebnisoffen, fair und partizipatorisch geführte Diskussion. In den Ausschüssen saß der Investor mit den Ausschussmitgliedern am Tisch, die Bürger am Rand. Der Investor hatte ständiges Rederecht. Eine Teilnahme von Bürgern an den Erörterungen wurde abgelehnt.

Es wurde mit falschen Plänen gearbeitet. Kleine Neubauten, schön gegliedert mit großen Grünflächen wurden in den Plänen vorgezeigt. SPD, CDU und FDP haben es ignoriert und nicht bemängelt.

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Damalige Entscheidungsgrundlage. Ein beschönigter Plan des Investors, der die eigene Bebauung sehr klein bzw. die umgebende Bebauung falsch und viel zu hoch darstellte!

 

Da wird vom Bürgermeister erklärt, dass man nicht übereinander reden soll, sondern miteinander. Wir sind gespannt, ob der Bürgermeister das Gespräch aufnimmt.

Da wird einfach behauptet, man habe sich auf den Planer verlassen müssen, die Fehler in dem B-Plan seien demzufolge von dem Planer zu verantworten. Wenn es passt, wird davon gesprochen, dass man sich intensiv mit der Planung und dem Bebauungsplan auseinandergesetzt habe. Verschwiegen wird, dass der Planer von SPD, CDU, FDP und dem Bürgermeister Vorgaben bekam, den B-Plan nach dem Planungskonzept des Investors auszuarbeiten.

Die FDP beklagt die Rechtsstellung von Betroffenen, die zu Verzögerungen führe. Unsere Verfassung und unsere Gesetze schützen zum Glück alle Bürger. Die Gewaltenteilung dient dazu und ist ein hohes Gut in einer Demokratie, schützt Bürger vor Willkür und Unrecht und zwingt gemeindliche Gremien zu Rechenschaft und Verantwortung gegenüber der Bürgerschaft. Aber man sieht sehr schön, wie vorgegangen wird. So wie die FDP als Reaktion auf die Bewegung „FRIDAYS FOR FUTURE“ Schüler zur Einhaltung der vorgeschriebenen Schulpflicht aufforderte, so werden bei der Ortsmitte die Rechte von Bürgern beklagt, weil es einem nicht passt.

Städtebauliche und infrastrukturelle Konzepte zur Ortsentwicklung und der Ortsmitte fehlen seit über 20 Jahren in Bickenbach. Deshalb nicht nur so viele Fehlentwicklungen im gesamten Ortsgebiet, sondern das erklärt auch die zeitlichen Versäumnisse in der Ortsmitte. Es sind verlorene Jahre durch die falsche Herangehensweise. Das ist die Ursache der Brache in der Ortsmitte.

Die Bürgerinitiative wünscht sich nichts sehnlicher als eine attraktive, funktionierende, schöne, interessante und lebenswerte, zum Aufenthalt einladende Ortsmitte.

Es wird auch nicht wahrer, wenn SPD zum 5. Mal erklärt, der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe nichts gegen das geplante Entwässerungskonzept. In dem Urteil wird das Thema Entwässerung überhaupt nicht behandelt.

Und immer wieder das Lob auf eine nicht beanstandete Dichte der Bebauung. 55 Wohneinheiten auf 6.000 m² sollen entstehen. Das sind hochgerechnet 92 Einheiten auf 10.000 m². Das ist wesentlich mehr, als der Regionalplan für Südhessen vorschlägt oder in den vielen, gerade entstehenden Quartieren in Städten zugelassen wird.

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Darmstadt, Lincoln Siedlung , hoch und dicht in der Großstadt, jedoch mit max. 80 zulässige Wohneinheiten auf 10.000m² und somit mit geringerer Dichte als in Bickenbach geplant!

 

Die geplante Bebauung in der Ortsmitte ist dichter, die Verschattungen auf dem eignenen Baugrundstück unverantwortlich, ganz abgesehen von der Unterbauung des Grundstücks mit einer 2-geschossigen privaten Tiefgarage, sowie den fehlenden Ausgleichsmaßnahmen für die Überschreitung von Dichtewerten, die der Hessische Verwaltungsgerichtshof sehr wohl erkannt hat.

Die Ökologie bleibt völlig auf der Strecke. Vor der hektisch vorgenommenen Entfernung  der Bäume auf den Grundstücken gab es die selten gewordenen Fledermäuse. Das ist jetzt vorbei. Die Vernichtung von etwas Besonderem und Einzigartigem wurde in Kauf genommen. Es erinnert uns auch stark an den Abbruch des kulturhistorisch bedeutsamen Gasthauses ZUR ROSE, aus dem man sicher hätte etwas machen können.

Wir wundern uns und fragen, ob SPD, CDU und FDP nicht erkennen, was gerade in der Welt passiert: Klimaschutz, Nachhaltigkeit, sparsamer Umgang mit Natur und Ressourcen.

Bickenbach muss nicht gleich den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewinnen, der gerade wieder verliehen wurde. Wie schön wäre es aber, wenn sich Bickenbach zum Ziel setzen und als kleine Gemeinde Vorreiter werden würde für einen sorgsamen Umgang mit Ressourcen, dem Schutz von Klima und Grünflächen, weniger Platzverbrauch für den motorisierten Individualverkehr, ökologischen Standards, bewusstem Konsum und der Bürgerbeteiligung im wahrsten Sinne des Wortes.

Ein Mitglied der Bürgerinitiative sprach bereits davon, ob sich die „Bürgerinitiative Ortsmitte Bickenbach“ in „Fridays for Bickenbach“ umbenennen müsse.

Update:

Nachfolgend der Link zu den Artikeln des Bergsträsser auf der Webseite der Komm,A Fraktion. Komm,A hat die Genehmigung zur Veröffentlichung, weshalb wir an dieser Stelle extern verlinken:

http://www.komma-bickenbach.de/main/archiv_file.php?id=948

 

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